Woche der Demenz 6.Tag 26.09.2020 - Zitate zum Thema Demenz

Die Art und Weise, wie Sie sich uns gegenüber verhalten, hat einen großen Einfluss den Krankheitsverlauf. Sie können unsere Persönlichkeit wieder aufbauen und uns das Gefühl geben, gebraucht und geschätzt zu werden. Die Zulus haben ein Sprichwort, das es auf den Punkt bringt worum es geht: Eine Person wird erst durch andere zu einer Person. Bestätigen Sie uns, umarmen Sie uns, unterstützen Sie uns und zeigen Sie uns, dass wir eine Bedeutung im Leben haben. Respektieren Sie uns für das, was wir immer noch tun und sein können und sorgen Sie dafür, dass wir soziale Kontakte aufrecht erhalten. Es ist sehr schwer für uns, der Mensch zu sein, der wir einmal waren. Deshalb gestatten Sie uns, der Mensch zu sein, der wir jetzt sind und erkennen Sie an, wie viel Mühe wir uns geben, zu funktionieren.

(Christine Bryden 2005)

 

 Es fällt mir seit Monaten schwerer und schwerer, andere Menschen zu treffen, solche Einladungen, die immernoch zahlreich kommen, anzunehmen. Dieses Gefühl, nicht privat, sondern in der Öffentlichkeit zu sein. Früher habe ich das ja genossen. Der rote Teppich, die Kameras-das war auch meine Welt. Wenn meine Tochter, oder meine Sekretärin heute bei solchen Anlässen mit dabei sind, helfen sie mir, schirmen mich ab, mischen sich rechtzeitig ein. Und dennoch entstehen unangenehme peinliche Momente. Ich erkenne gewisse Leute , zum Teil alte Freunde und gute Bekannte, auf den ersten Blick nicht mehr- das ist einfach nur schlimm für mich, eine Qual. Ich kann sie dann nicht direkt mit Namen ansprechen, bin unsicher. Im Grunde möchte ich in diesem Moment nur weg.

(Rudi Assauer 2012, S. 232)

 

 Oder, wenn ich merke, dass ich Aussetzer habe, nicht sofort verstehe, worum es geht. Wenn ich das ein oder andere Wort nicht finde, die Sätze nicht richtig beenden kann. Natürlich schäme ich mich dann. Und sage lieber gar nichts. Es kann aber auch das Gegenteil passieren, wenn ich in ein Gespräch verwickelt werde und keine gute Tagesform habe. Bin ich ungeduldig mit mir und meinen Mitmenschen, sage ich etwas, was mir später leidtut, schimpfe. Dann muss ich hinterher extra betonen, dass ich das gar nicht so gemeint habe. Ich mache Sachen oder sage Dinge, von denen ich nichts mehr weiß später. Das macht mich kirre, das ist schrecklich.

(Rudi Assauer 2012, S. 232)

 

 Friederike Coester

Leiterin Demenzdienste - Malteser Hilfsdienste -Mainz

 

Welt Alzheimertag 2022

 

Führung in der Kunsthalle Mainz für Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen

Am diesjährigen Welt Alzheimertag am Mittwoch dem 21.10.22 fand eine spezielle Führung in der Kunsthalle Mainz statt. Angesprochen waren Menschen mit Demenz zusammen mit ihren Angehörigen. Das Thema der Ausstellung "Homosphäre" bereitete Frau Weber als Kunstvermittlerin speziell für Menschen mit Demenz auf.

Wolken , Himmel und Veränderung wurden gemeinsam betrachtet und die Gespräche drehten sich schnell auch um persönliche Erfahrungen auf Reisen.

Frau Beck von der Pflegeselbsthilfe der KISS und Frau Maeder von der Beko Demenz Mainz standen für Fragen rund um das Thema Demenz zur Verfügung.

Über eine Wiederholung des Angebotes würden sich alle Beteiligten sehr freuen.

Woche der Demenz 3.Tag 23.09.2020- Mit Demenz im Krankenhaus

Du wachst auf…

 Du wachst auf – oder träumst du? Du liegst in einem Bett. Um dich herum herrscht Hektik. Weiß gekleidete Personen, die du nicht kennst – oder ist da deine Kollegin Anna? – laufen umher, sprechen (über dich?). Du bemühst dich sie zu verstehen, doch es gelingt dir nicht. Auf einmal geht dir eine Licht auf: Du musst auf der Arbeit sein, im Labor in dem du als Chemiker beschäftigt bist. Voller Tatendrang möchtest du aufstehen, doch da fühlst du einen dumpfen Schmerz. Du kannst nicht zuordnen wo er herkommt, betastest Deinen Körper. Da sind Schläuche an dir. Du weißt nicht warum. Du versuchst dich zu befreien. Auf einmal ist eine Person bei dir. Sie wirkt irgendwie freundlich, doch scheint sie nicht richtig bei dir zu sein. Sie sagt etwas zu dir in einem ermahnenden Tonfall. Du verstehst nicht. Hast du etwas falsch gemacht? Du scheinst hier nicht richtig zu sein, möchtest dich auf den Weg machen, doch ein Schmerz hindert dich daran. Plötzlich verspürst du das dringende Gefühl nach Hause zu müssen, doch du hast keine Ahnung, wie du dort hinkommen könntest. Du kennst den Weg nicht. Eine Angst breitet sich in dir aus, erfüllt dich. Du hast Sehnsucht nach Deiner Mutter, du rufst um Hilfe, bist verzweifelt.

In diesem Moment kommt eine sehr freundliche Frau auf dich zu. Sie begrüßt dich mit deinem Namen. Sie scheint dich zu kennen, setzt sich zu dir. Sie scheint dich zu verstehen. Sie strahlt Ruhe aus. Irgendwie erinnert sie dich an eine Zeit, in der die Welt noch „in Ordnung“ war. In Dir steigt ein Gefühl von Hoffnung auf.

(Friederike Coester -Malteser Hilfsdienst e.V. Leitung Demenzdienste- inspiriert von Tom Kitwood)

Woche der Demenz 4.Tag 24.09.2020- SET auf der gerontopsychiatrischen Station der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz

SELBSTERHALTUNGSTHERAPIE

 ,,Beißen, Schreien, Kratzen. So war ich nie. Was jetzt hilft? Selbsterhaltungstherapie!

Ich will hier raus, doch wo nur hin?

Das macht für mich überhaupt keinen Sinn.

Ich bin hilflos und so allein, das muss jetzt nicht mehr sein.‘‘

  ,,Hilfe kann ich dir geben, dich umarmen oder reden. Dich kennenlernen wer du bist und was dir im

Leben wichtig ist. Auch wenn du mich beim falschen Namen nennst,

du Sachen von früher noch sehr gut kennst.

Hab keine Angst, wir werden dir Sicherheit geben und Schritt für Schritt erforschen dein Leben.

Ressourcen erhalten, was immer es ist, du kannst tun, was du möchtest, wenn du bei uns bist.

Sei nicht traurig, gib mir die Hand, gemeinsam setzen wir uns auf die Gartenbank.

Schau, wie die Pflanzen ranken, wir bringen dich garantiert auf andere Gedanken.

Wir holen dich ab, dort wo du stehst, selbst wenn du ein paar Schritte Rückwärts gehst.‘‘

 Viel Zuwendung und Empathie, das ist unsere Strategie. Wir lassen sie Mensch sein, nehmen sie an,

das ist das Beste, was man bei einer Demenz machen kann. Der Mensch wird älter, vergisst häufig

viel, ihn dabei zu unterstützen ist unser Ziel. Angehörige einbinden, Besuche im Heim, denn der

Mensch soll auch danach noch gut versorgt sein. Mit Herz und Verstand, das ist unsere Devise,

wir helfen in jeglicher Krise.

 Gedicht verfasst vom Team der gerontopsychiatrischen Station der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz

 

 Seit Februar 2019 arbeitet das Team der gerontopsychiatrischen Station der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz nach der Selbsterhaltungstherapie nach Barbara Romero. Dies ist eine nicht-medikamentöse Behandlungsform für Menschen mit einer Demenz-Erkrankung. Bei dieser steht die Anpassung an die Krankheitsfolgen im Fokus. Es werden individuell geeignete Aktivitäten wie auch Erlebnis- und Teilhabemöglichkeiten, die den Betroffenen weder unter- noch überfordern und auch nicht befremden, aufgebaut. Die Umgangs- und Kommunikationsformen, das materielle Umfeld und Wohnumfeld werden an die individuellen Bedürfnisse angepasst.

Im Rahmen der Selbsterhaltungstherapie werden Menschen mit Demenz dabei unterstützt, entsprechend ihrer Interessen und Möglichkeiten am alltäglichen Leben teilzunehmen und die eigenen kognitiven, sozialen und körperlichen Ressourcen im Alltag zu stabilisieren.

Die Angehörigen und Bezugspersonen werden in die Behandlung konsequent mit einbezogen, beraten und angeleitet und erhalten individuelle „Therapeutische Empfehlungen“ zur Sicherung der Nachhaltigkeit der Behandlung.

Woche der Demenz 5.Tag 25.09.2020- Verhaltensbesonderheiten im Perspektivwechsel

Liebe Schwester Beate!

 Als Du letztens das Abendessen vorbereitet hast, habe ich trotz meiner Demenz gesehen, wie viel Du zu tun hast. Da ich mir nie zu schade war, mich um den Haushalt zu kümmern, wollte ich Dir gerne helfen. Ich weiß nichts von Hygienebestimmungen und auch nicht, dass ich es in meiner Demenz nicht mehr  so genau nehme mit der Körperpflege. Ich legte immer viel Wert auf ein gepflegtes Äußeres. Dass ich dieses nicht mehr ohne Hilfe aufrechterhalten kann, ist mir nicht  bewußt.

Meine Hilfe hast Du etwas zögerlich angenommen, doch als ich Dir Arbeit abnehmen wollte und nach dem Messer griff, wolltest Du es mir nicht geben. Ich konnte das nicht verstehen.

Auch fehlt mir oft die Möglichkeit mich auszudrücken und so versuchte ich Dir das Messer aus der Hand zu nehmen. Kannst Du verstehen dass ich nur helfen wollte, wie ich es gewohnt bin? Nichtstun ist schrecklich. Auch ich habe, wie jeder Mensch das Bedürfnis zu etwas nütze zu sein. Ich hatte nie lange Weile in meinem Leben. Immer war irgendetwas zu tun. Nun aber laufe ich umher und weiß nicht wo mein Platz ist. Mir fehlt ein Lotse im Alltag, der mich führt und mir zeigt, wo ich mich nützlich machen kann. Das würde mir Selbstvertrauen schenken. So aber bin ich orientierungslos und das macht mir Angst. Diese Angst macht mich un- ruhig. Darum laufe ich oft orientierungslos und unruhig umher. Dass dies Euch nervt und dass Ihr Angst habt, dass ich mich verlaufen oder fallen könnte, auch das ist mir nicht bewusst.

Leider hat die Demenz mich auch meine Grenzen vergessen lassen. Ich kann eigene Gefahren nicht erkennen und auch nicht, dass ich andere Menschen verletzen könnte. Sei versichert, dass ich ohne meine Erkrankung niemals wissentlich jemandem Schaden zufügen könnte. Ich kann meine Emotionen nicht mehr steuern und leide selbst am meisten darunter. Ich weiß kurz nach einer eskalierten Situation schon nicht mehr was vorher war und verstehe all die Aufregung um mich herum nicht. Das macht mir Sorgen.

Hier leben so viele Menschen. Menschen die ich und die mich nicht mehr verstehen. Manchmal wird mir alles zu viel. Dann suche ich mein Zimmer. Wie oft finde ich mein Zimmer und da ist eine andere Person drin. Ich verstehe nicht, wenn diese sich aufregt und dann noch Verstärkung durch Dich, liebe Schwester Beate, bekommt. Ich soll aus meinem Zimmer gehen, aber wohin? Ich brauche doch auch ein zu Hause, aber wo ist das?

Letztens hatte ich meinen Pullover in der Hand. Dass es nicht meiner war, wußte ich nicht. Dann wolltest Du ihn mir wegnehmen, das konnte ich nicht verstehen und verteidigte ihn. Du hast nicht locker gelassen und mir gesagt er gehöre mir nicht. Damit hast Du mir Diebstahl unterstellt. Das hat mich sehr aufgebracht. Dabei will ich niemandem etwas Böses.

All Deine logischen Erklärungen sind für mich nicht hilfreich, auch nicht wenn ich spüre, dass Du sauer auf mich bist. Ich verstehe nicht warum. Deine innere Abwehr fordert mich heraus zur Gegenwehr, nach dem Motto: Wie man in den Wald hineinruft….

Mein Bedürfnis so zu leben, wie ich es immer gewohnt war, ist noch immer da. Mein Leben war Arbeiten und feiern. Ich war immer sehr aktiv, gesellig und sehr liebevoll meinen Lieben gegenüber.

 Nun müssen wir sehen, wie wir zu Recht kommen. Vielleicht können wir wieder etwas aufeinander zu gehen. Das würde mich sehr freuen!

 

Ihr Heinz P.

 

Birgit Mai - Demenzfachberaterin - AWO Seniorenzentrum "Am Rosengarten" in Mainz

 

 

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